Meine Rede zum Bibliotheksgesetz

Hier meine Rede zum Bibliotheksgesetz im Plenum des Hessischen Landtags vom 16. Juni 2021:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,

Können sie sich noch an ihren ersten Bibliotheksbesuch erinnern? Den Geruch, die hölzernen Karteikästen, die Stempel, die in die Bücherrückseiten gedrückt wurden, die bedächtige Stille? Bibliotheken heute sind anders aber nicht weniger faszinierend.

„Geschichten sind unser Gedächtnis, Bibliotheken die Lagerstätten für dieses Gedächtnis und Lesen das Handwerk, mit dem wir dieses Gedächtnis neu erschaffen können.“

Dieses Zitat des Schriftstellers Alberto Manguel ist eine Liebeserklärung an das Lesen. Denn für viele Leserinnen und Leser ist die wahre Heimat das Buch und das Paradies eine Bibliothek.

Deshalb freue ich mich, dass wir heute in diesem Parlament einmal über Bibliotheken sprechen können, auch wenn die FDP unserer eigenen Einbringung der Novelle des Bibliotheksgesetztes im September vorgegriffen hat.

Welche Räume braucht eine Gesellschaft?

Gibt es Orte, die eine Stadt sozialer und gerechter machen?

Wie kann kulturelle Teilhabe in unseren ländlichen Räumen ermöglicht werden?

Das alles sind Fragen, die sich damit auseinandersetzen, wie unser Zusammenleben und die Lebensqualität in Stadt und Land gesichert und gefördert werden können.

Eine Antwort auf diese Fragen geben uns die Bibliotheken. 660 gibt es davon in Hessen. Sie sind zentraler Bestandteil unserer kulturellen Infrastruktur. Und sie sind so viel mehr als nur Ausgabestellen oder Aufbewahrungsorte für Bücher. Warum das so ist, will ich Ihnen kurz erläutern:

Heute vermitteln Bibliotheken die Schlüsselkompetenzen des 21. Jahrhunderts: Lese-, Medien- und Digitalkompetenzen. Sie kooperieren mit Kitas und Schulen und leisten mit ihren Angeboten einen wichtigen Beitrag zur Integration, Inklusion, kultureller Bildung und zum lebenslangen Lernen. Sie sind Aufenthaltsort, Lernort aber vor allem sind sie auch Begegnungs- und Kulturort. Diesen wichtigen Punkt hat auch die FDP in ihrem Gesetzentwurf betont.

Öffentliche Bibliotheken, ob kommunal oder kirchlich getragen, können von allen Menschen einfach besucht werden. Sie sind nicht-kommerzielle, schrankenlose Orte. Ihr Besuch kostet keinen Eintritt, muss nicht begründet oder gar legitimiert werden. Das ist auch im Hessischen Bibliotheksgesetz geregelt.

In Zeiten, in denen der gesellschaftliche Zusammenhalt schwindet, in Zeiten, in denen soziale Treffpunkte in ländlichen Regionen, aber auch in Städten weniger werden, sind Bibliotheken ein wichtiger Ort der Begegnung, der Kommunikation und der Kooperation. Sie sind lebendige Räume, in denen Reibungen, Spannungen und Konflikte, die das Aufeinandertreffen von verschiedenen Kulturen und Persönlichkeiten mit sich bringt, ausgetragen werden können.

Miteinander ist nie einfach. Aber um dieses Miteinander austarieren zu können, braucht es den Öffentlichen Raum, braucht es Orte der Kultur, braucht es Bibliotheken. Bibliotheken sind aber auch Orte des bürgerschaftlichen Engagements. Denn an der Seite von Fachpersonal können Bürgerinnen und Bürger Verantwortung übernehmen und das kulturelle Angebot mitgestalten. Globale Anliegen erhalten durch die Zusammenarbeit mit Vereinen Gehör. Örtliche Künstlerinnen und Künstler können ihre Werke in der Bücherei ausstellen. Die Vorleseoma geht sogar mit Krücken in die Kita.

Mit ihrem Engagement fördern die vielen Ehrenamtlichen in unseren Bibliotheken den Zusammenhalt vor Ort und unterstützen die kulturelle Infrastruktur. Das ist für uns alle wichtig! Wer heute studiert, muss keine Bibliothek mehr betreten, um sein Hausarbeit zu schreiben. Die Digitalisierung von Wissen samt Volltextsuche, Onhleihe, Open Access und neuen Informationsstrukturen bietet Alternativen. Trotzdem sind die Wissenschaftlichen Bibliotheken voll von Studierenden? Warum?

Weil sich Menschen gerne treffen, gemeinsam lesen, erleben und lernen möchten. So wie meine Tochter, die mit ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen gerade jeden Tag in der Universitätsbibliothek Marburg sitzt, um sich auf ihr Physikum vorzubereiten.

Aber es gibt auch noch einen anderen Aspekt der mir in diesem Zusammenhang sehr wichtig ist. Bibliotheken sind glaubhaft. Im Analogen wie im Digitalen. Bibliotheken stellen der Beliebigkeit im Netz geprüfte Fakten gegenüber und sie achten auf Datenschutz und Urheberrecht. Diese Tugenden sind in Zeiten von Filterblasen, Fake News und Hate Speach besonders wertvoll.

In ihrem Gesetzentwurf fordert die FDP, dass die Ausleihe von Büchern und Medien kostenfrei erfolgen soll. Für Kinder und Jugendliche ist das bereits möglich. Und das ist richtig so.

Denn Bibliotheken fördern die Lesekompetenz und die wiederum ist Voraussetzung für schulischen und beruflichen Erfolg und gesellschaftliche Teilhabe. Jedoch würden die fehlenden Einnahmen aus der Ausleihe für Erwachsene zunächst den Kommunen entgehen, die davon ihr Personal bezahlen und die Öffnungszeiten garantieren. Bibliotheksschließungen wären die Folge. Auch steht zu befürchten, dass das Land aus Konnexitätsgründen für die fehlenden Einnahmen einstehen müsste.

Und das können wir – so gerne wir das auch tun würden – gerade vor dem Hintergrund der Sonderausgaben im Rahmen der Coronapandemie schlichtweg nicht darstellen. Ebenso unterschiedlicher Meinung sind wir bei der Diskussion um die Sonntagsöffnung von Öffentlichen Bibliotheken. Ich verstehe den Ansatz, dass Bibliotheken als zeigemäße Kulturorte sonntags ihre Türen öffnen sollen.

Dem gegenüber stehen allerdings wie bei den verkaufsoffenen Sonntagen die Arbeitszeitgesetzgebung und die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Ausnahmen gibt es bereits jetzt, wenn Bibliotheken an Sonntagen für Veranstaltungen geöffnet werden. Meist von Ehrenamtlichen getragen.

Es dürfen zwar keinerlei bibliothekarische Tätigkeiten wie Auskünfte oder Beratung verrichtet werden, aber Veranstaltungen zur Teilhabe am kulturellen und sozialen Leben sind ausdrücklich auch sonntags erlaubt. So kann der Sonntag ein Tag der Begegnung werden. Dann darf es auch laut sein in der Bibliothek.

Und die Leute erleben:

Ach, so kann Bibliothek auch sein. Darüber wollen wir nicht hinausgehen. Zum Schluss möchte ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unseren Bibliotheken herzlich danken, den hauptamtlichen und den ehrenamtlichen. Sie leisten großes:

Wer Kindern die Welt der Literatur eröffnet, wer Schüler*innen Medienkompetenz vermittelt, wer Studierenden seriöse Wissensquellen aufbereitet, das lebenslange Lernen unterstützt, Geflüchteten Bildungschancen eröffnet und einfach für jeden Bürger und jede Bürgerin offen ist, fördert Menschlichkeit, Teilhabe und Demokratie.

Ohne Ihr Engagement und ihren täglichen Einsatz, wären wir um viele Bücher-Paradiese ärmer.

Vielen Dank.

Artikel kommentieren

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Weiteres entnehmen Sie bitte der Datenschutzerklärung.