Meine Rede zum Bericht des Expert:innengremiums zur documenta fifteen

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren,

auch knapp 5 Monate nach dem Ende der documenta, ist und bleibt das unser Grundkonsens: Antisemitismus hat keinen Platz in unserer Gesellschaft und auch keinen Platz auf einer Kunstausstellung.

Dass auf der documenta fifteen Werke mit klar antisemitischer Bildsprache ausgestellt wurden, hat Jüdinnen und Juden in Deutschland, aber auch weltweit tief verletzt. Es hat ihr Vertrauen in den Kulturbetrieb und seine Einrichtungen, auch und gerade in staatlich geförderte, erschüttert. Der Schaden, der entstanden ist, darf deshalb nicht relativiert oder verharmlost werden, sondern er stellt uns vor eine wichtige politische Aufgabe, eine politische Aufgabe, die weit über die documenta hinaus geht.

Denn staatliche Förderung von Kunst und Kultur, verbindet sich immer auch mit einer besonderen Verantwortung. Deshalb hat sich Kulturministerin Dorn auch mit sehr viel Beharrlichkeit für die Einrichtung einer unabhängigen fachwissenschaftlichen Begleitung und die Aufarbeitung des Geschehens eingesetzt.

Denn es war nötig, der verteilten Verantwortungslosigkeit in den Strukturen der documenta mit verantwortungsvollem Handeln zu begegnen. Das hat Ministerin Dorn getan.

Wie wichtig diese Aufarbeitung des Geschehens ist, genau das bestätigt jetzt auch noch einmal der Abschlussbericht der Expert:innenkommission. Er ist eine fundierte und schonungslose Analyse dessen, was geschehen ist. Denn er lässt uns sehr klar nachvollziehen, wo die Fehler bei der documenta lagen und wo Verantwortung diffundiert ist.

An dieser Stelle gilt mein Dank der fachwissenschaftlichen Kommission, stellvertretend Frau Professor Bernstein, die heute auch anwesend ist. Haben Sie herzlichen Dank für ihre wichtige Arbeit.

Aber der Bericht setzt keinen Schlussstrich unter die Debatte, sondern er ist mit einer Aufforderung verbunden. Einer Aufforderung nach Konsequenzen, nach klar definierten Verantwortlichkeiten, nach Regeln, was in Konfliktfällen passiert und er fordert externe Expertise, die in solchen Konflikten lösen hilft. Damit liegt jetzt eine wichtige Hilfestellung für die dringend notwendige Reform der documenta auf dem Tisch. Und Ich bin froh, dass die Gesellschafter der documenta sich einig sind, diese Hilfe anzunehmen und die Reform anzugehen.

Der Bericht ist aber mehr als das: Er ist auch eine wichtige Grundlage für den Umgang mit antisemitischer Bildsprache in der Kunst. Die hat bisher gefehlt. Denn es reicht nicht, Antisemitismus erst dann zu ächten, wenn er strafrechtlich relevant wird. Sondern es ist notwendig, sich im Vorfeld von Kunstausstellungen auf Definitionen und Standards für den Umgang mit Antisemitismus und anderen Formen der Diskriminierung zu verständigen, die sich nicht in den Vorgaben des Strafrechts erschöpfen. Und das ist ein wichtiger Punkt für die Zukunft und für den gesamten Kunstbetrieb!

Zum Umgang mit den Vorfällen auf der documenta gehört aber auch immer die Frage der Kunstfreiheit. Und hier geht es um nichts weniger als um ihre verfassungsrechtlichen Grundlagen. Die fachwissenschaftliche Begleitung, sowie der Bericht der im Auftrag des BKM entstanden ist, behandelt dieses Spannungsfeld sehr differenziert: Die Kunstfreiheit ist vom Grundgesetz geschützt. Staatliche Stellen – also im Fall der documenta das Land und die Stadt als Gesellschafter oder der Bund als Förderer – können daher nur bedingt eingreifen. Die Vorab-Kontrolle künstlerischer Programme durch Politiker:innen würde der Kunstfreiheit widersprechen. Das macht das Gutachten noch einmal sehr deutlich.

Aber es macht auch deutlich, dass es sehr wohl das Recht, ja sogar die Pflicht staatlich geförderter Einrichtungen ist, Antisemitismus und andere Formen der Menschenfeindlichkeit zu verhindern. Im konkreten Fall wäre es die Pflicht der Geschäftsführung gewesen. Sie hätte auf die künstlerische Leitung einwirken müssen. Das ist kein Eingriff in die Kunstfreiheit. Diese Differenzierung ist sehr wichtig. Denn der hohe Wert der Kunstfreiheit enthebt uns niemals von der Verpflichtung, mit allen Kräften gegen Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit vorzugehen. Die fachwissenschaftliche Begleitung war interdisziplinär aufgestellt und hat die Fragen, die die documenta aufgeworfen hat, aus ganz unterschiedlichen Richtungen beleuchtet. Deshalb ist ihr Bericht ein richtungsweisendes Dokument für die documenta, aber auch für den gesamten Kulturbereich.

Wir sind der Überzeugung, dass die documenta weiter als wichtigste Ausstellung zeitgenössischer Kunst Impulse setzten kann, wenn die Stadt Kassel und das Land die notwendigen strukturellen Veränderungen in Angriff nehmen.

Sie haben bereits angekündigt, dies gemeinsam und im Gespräch mit dem Bund im Rahmen einer geplanten Organisationsuntersuchung angehen zu wollen.

Dafür haben sie unsere volle Unterstützung.

Vielen Dank.

Meine Rede findet Ihr hier.

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